Toxische Beziehungen
Toxische Beziehungen kosten häufig viel Energie. Sie können das Lebensgefühl massiv beeinträchtigen und uns auf allen Ebenen belasten. Erfahre an was du eine toxische Beziehung erkennst. Lies was du tun kannst wenn du dich in einer toxischen Beziehung befindest oder du toxische Beziehungen in deinem Umfeld wahrnimmst.
Mögliche Auswirkungen einer toxischen Beziehung
- Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Einsamkeit, tiefe Trauer
- starke Wut, Racheimpulse, häufige Konflikte
- unterschwellige Sticheleien, Abwertung und Respektlosigkeit
- Gefühle des Unvermögens, Scham und Schuld
- Selbstaufgabe, Selbstabwertung
- emotionaler Rückzug, Mauern, Verbitterung
- Ignorieren, Schweigen, Sturheit
- Flucht in andere Aktivitäten und Süchte
- Entwicklung verschiedener Krankheiten (Allergien, Hautprobleme, Verdauungsprobleme, etc.)
- hoher Stresspegel bis zur Angst vor dem Partner / der Partnerin
- Selbstmordgedanken
- Gedanken den anderen aktiv zu Tode zu bringen oder dass er irgendwie ums Leben kommen möge
Bin ich in einer toxischen Beziehung?
Beziehungsprobleme
In jeder Beziehung tauchen irgendwann Probleme auf und das ist absolut normal. Oftmals werden Missverständnisse nicht geklärt und Verletzungen nicht geheilt. Dadurch kann die Liebe zueinander beeinträchtigt werden und manchmal auch verloren gehen. Das kann sehr belastend sein, bedeutet aber nicht, dass man deswegen in einer toxischen Beziehung ist.
Wenn man sich den Herausforderungen stellt und sich gegebenenfalls Unterstützung von Aussen holt, kann die Beziehung wieder einen neuen Boden finden. Oft entsteht daraus sogar noch eine tiefere Verbindung zueinander.
Aber an was kann ich denn erkennen, dass ich in einer toxischen Beziehung bin?
Es ist wie beim Salz: Es kommt auf die Dosis an. Unser Körper braucht Salz um gesund zu bleiben und ohne Salz schmeckt das Essen fad. Eine akute Überdosis an Salz kann aber zu einer gefährlichen Vergiftung des Körpers führen. Und wenn ich über längere Zeit zu viel Salz esse, ist das auch nicht gesund. Und gleichzeitig liegt die verträgliche Dosis bei jedem Menschen auch wieder woanders. Einer verträgt mehr Salz, ohne dass es ihm schadet, der andere weniger.
Es geht also um drei Aspekte bei den weiter unten beschriebenen Verhaltensweisen:
- das Ausmass (wie heftig ist es?)
- die Häufigkeit (wie oft kommt es vor?)
- die individuelle Toleranzgrenze (wo fängt es an zu schaden?)
Toxische Beziehungen
In einer toxische Beziehung wirkt eine Beziehungsdynamik, welche über kurz oder lang destruktiv wird oder es von Anfang an war. Das Ausmass der Destruktivität und welche Auswirkungen sie auf einen Menschen hat, kann dabei sehr unterschiedlich sein. Solche Beziehungen können durchaus auch traumatisierend sein und nachhaltigen Schaden hinterlassen.
Anzeichen einer toxischen Beziehung können sein
- Drohungen
«Wenn du um 8 Uhr nicht Zuhause bist, wirst du schon sehen was dir blüht!» - Emotionale Erpressung
«Würdest du mich wirklich lieben, dann würdest du das für mich tun.»
«Wenn du mich verlässt, dann bringe ich mich um.» - Gewalt und Lieblosigkeit in verschiedensten Formen (körperlich, verbal, energetisch)
Der Partner verbreitet eine aggressive Energie, so dass man sich kaum entspannen kann
Die Partnerin schlägt zu wenn sie ihre Emotionen nicht mehr im Griff hat
Bei Konflikten wird es laut und heftig - sexuelle Nötigung
Der Partner erwirkt oder erzwingt Sex ohne Einverständnis
Es werden Praktiken durchgesetzt, die über die eigenen Grenzen gehen - Kontrollzwang
Die Partnerin kontrolliert ständig wo und mit wem man ist
Man muss dauernd über alles Rechenschaft abgeben - Verlust der Lebensfreude und Lebensenergie
Die Beziehung raubt einem so viel Energie, dass nicht mehr viel für einem selbst übrig bleibt
Man fühlt sich gelähmt, müde, ausgelaugt oder hoffnungslos - Angst vor dem Partner / der Partnerin
Man lebt in permanenter Angst irgendetwas falsch zu machen, was den Partner triggern könnte - übersteigerte Rücksichtnahme
Die Partnerin reagiert sehr empfindlich und man verzichtet auf Dinge, die einem eigentlich wichtig wären - Kritiksucht und runter machen in jeglicher Form
«Wegen dir ist jetzt der gemeinsame Abend im Eimer. Es ist immer dasselbe mit dir!»
«Du bist dumm und hässlich. Ich weiss gar nicht weshalb ich überhaupt noch mit dir zusammen bin.» - Respektlosigkeit und lächerlich machen
«Ach wisst ihr, meine Freundin ist immer soooo emotional!»
«Mein Mann hat absolut nichts im Griff! Er kann nicht mal einen Nagel einschlagen» - Schuldzuweisungen
Schuld ist immer nur einer, nämlich du - Unberechenbarkeit
Du weisst nie was als Nächstes passieren könnte.
Aus heiterem Himmel schlägt die Stimmung ins Negative um.
Der Partner ist manchmal eiskalt, dann wieder zugewandt. - Isolation
Dein Partner isoliert dich sozial und lässt keine anderen Beziehungen zu. - Unempfindlichkeit gegen Leid
«Mach nicht so ein Theater! So schlimm ist das jetzt auch wieder nicht.»
«Hör auf zu weinen, das nervt!» - Liebesentzug
Der Partner entzieht einem sämtliche Aufmerksamkeit und Zuwendung
Tage- oder wochenlanges Schweigen und Ignorieren
Immer noch unsicher ob du in einer toxischen Beziehung bist?
Solltest du dir nach all dem immer noch unsicher sein, ob du in einer toxischen Beziehung bist, kannst du dir folgende Fragen stellen:
- Kann ich in meiner Beziehung entspannen?
- Fühle ich mich grundsätzlich wohl mit meinem Partner?
- Können Konflikte bereinigt werden?
- Kann ich mich auf meinen Partner verlassen?
- Werden meine Meinung und meine Bedürfnisse respektiert?
- Fühle ich mich sicher?
- Ist meinem Partner mein Wohlergehen wichtig?
Je öfter du mit Nein antwortest, umso wahrscheinlicher ist es, dass du in einer toxischen Beziehung bist. Sei dir aber bewusst, dass gewisse Dinge auch nicht mit deinem Partner zu tun haben können. Es kann z. B. sein, dass du grundsätzlich Mühe hast Vertrauen zu haben. Das dann dem Partner anzulasten ist nicht sehr förderlich.
Was du sonst noch tun kannst
Nimm allen Mut zusammen und frag deine beste Freundin oder deinen besten Freund, was sie/er von deiner Beziehung hält. Mach klar, dass du nur eine Einschätzung willst und keine Ratschläge. Nimm es entgegen, versuche nichts zu verteidigen, sondern hör einfach nur zu. Nimm ernst was du hörst. Es bedeutet nicht, dass du sofort was ändern musst. Du hast dir einfach eine Meinung eingeholt, das kann für den Moment schon reichen.
Weshalb Veränderung so schwierig ist
Zu erkennen und sich einzugestehen, dass man in einer toxischen Beziehung lebt (und liebt) ist nicht immer so einfach. Man hat sich ja irgendwann einmal in diesen Menschen verliebt. Das bedeutet man hat oft immer noch Wünsche und Träume für die gemeinsame Zukunft. Das kann dazu führen, dass man über längere Zeit hinweg sich selber und anderen einredet, es sei nicht so schlimm. Man versucht dann hauptsächlich die positiven Seiten zu sehen und verdrängt das Schwierige.
Und mal ehrlich: Wer gibt schon gerne zu, dass der Partner Alkoholiker, spielsüchtig oder die Partnerin schwer depressiv oder gewalttätig ist? Oftmals sind die eigene Scham und die Angst, den Partner bloss zu stellen, einfach zu gross um so etwas nach aussen zu tragen. Die Folge davon kann aber sein, dass man mit seinen Problemen komplett alleine ist und keine Unterstützung von aussen kommen kann. Manchmal ist im Umfeld auch schlichtweg niemand da, der wirklich geeignet wäre zu helfen.
Und es braucht auch ganz schön Mut den Partner oder die Partnerin zu konfrontieren und vor Entscheidungen zu stellen.
Aussenstehende können häufig nicht verstehen weshalb man die Beziehung nicht einfach beendet. Aber wenn es so einfach wäre, dann hätte man den Schritt ja schon gemacht. Und: Nicht immer geht es um eine Trennung.
Wenn das Umfeld einem zu einer Trennung drängt, wird es noch anspruchsvoller. Einerseits weil man vielleicht nicht an dem Punkt ist sich trennen zu wollen. Andererseits weil man sich zwar gerne trennen würde, es aber bis jetzt nicht geschafft hat. Das kann dazu führen, dass man den Partner verteidigt oder wesentliche Dinge verheimlicht, um die Beziehung zu schützen oder das Gesicht zu wahren.
Und da wäre noch die Achterbahn: Gute Phasen wechseln sich ab mit schlechten. Während den guten Phasen schöpft man wieder Hoffnung, nur um bald darauf wieder ent-täuscht zu werden. Und dann geht es wieder von vorne los.
Was Veränderung sonst noch erschwert
- Mehr Mitgefühl für den Partner als für sich selbst
Du spürst wie schwierig das Leben für die Partnerin ist und willst sie, obwohl du dafür grosse Opfer bringen musst, nicht im Stich lassen. - Abhängigkeit
Du bist in einer finanziellen, sexuellen oder emotionalen Abhängigkeit. - Drohungen / Erpressung
Du fürchtest dich zu sehr vor den angedrohten Konsequenzen. - Scham / Schuld
Du schämst dich anderen und dir selber eingestehen zu müssen, in was du dich da rein manövriert hast.
Du hast das Gefühl dem anderen etwas schuldig zu sein. - Gemeinsame Kinder oder finanzielle Verflechtungen
Eine Trennung hätte weitreichende Konsequenzen, die du als so schwerwiegend erachtest, dass du bleibst. - Sozialer Druck
Dein Umfeld macht, dass du in der Beziehung bleibst (z. B. durch soziale, religiöse Regeln oder Druckausübung). - Isolation
Du fühlst dich alleine und weisst nicht wo du Hilfe holen kannst.
Auswirkungen von Mustern auf die Beziehung
Essentiell ist es zu erkennen, dass eine toxische Beziehung nie nur einseitig ist. Beide Partner sind mit Mustern unterwegs, die sich gegenseitig «füttern». Es ist wie in einem Film, wo Schauspieler verschiedene Rollen einnehmen. Solange jeder seine Rolle erfüllt, geht das «Drama» weiter. Wenn jemand dominant ist, muss automatisch auch jemand da sein, wo diese Dominanz ausgelebt werden kann.
Deshalb ist es enorm wichtig zu erkennen was genau die destruktive Dynamik in der Beziehung ist und was der eigene Anteil daran ist. Nur dann kann ich das Drama unterbrechen und eine Veränderung zum Besseren ist möglich.
Veränderung geschieht immer zuerst bei einem selbst! Wenn ich Veränderung im Aussen erwarte, gebe ich meine Freiheit ab und lande in der Abhängigkeit.
Erkennt man die eigenen Muster und gelingt es diese aufzulösen, ist eine Veränderung zum Positiven viel einfacher und schneller möglich. In meiner mehr als 20-jährigen Praxiserfahrung gehören systemische Aufstellungen zu den erfolgreichsten und nachhaltigsten Methoden, um dies möglichst rasch erreichen zu können. Hilfreich sind auch das Wissen darüber wie das Nervensystem funktioniert und entsprechende Strategien um mit starken Emotionen oder Verdrängungsmechanismen umzugehen.
Opfer oder Täter?
Ich persönlich gehe davon aus, dass niemand absichtlich toxisch ist. Ich glaube jeder Mensch sucht letztendlich das Glück in seiner Existenz. Jeder von uns bringt jedoch all seine, in der Vergangenheit entwickelten und unerlösten Muster, in eine Beziehung mit ein. Beispielsweise die Unfähigkeit für sich einzustehen, zu viel Verantwortung für andere zu übernehmen oder sich immer wieder zu überfordern.
Gab es in der Ursprungsfamilie viel Gewalt, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass man diese Gewalt in irgendeiner Form mit nimmt. Das kann sich als Gewalt gegen sich selbst oder Gewalt gegen andere äussern.
Ein Beispiel:
Ein Mann wurde in seiner Kindheit von seiner Mutter gedemütigt und lieblos behandelt. Als Kind war er dem hilflos ausgeliefert und aus dieser Hilflosigkeit entstand eine enorme Wut. Es kann sein, dass er später diese aufgestaute Wut auf seine Frau richtet.
Wenn solch eine Wut an den falschen Ort geht, kann es meist keine Er-Lösung geben. Die Er-Lösung kommt dann, wenn klar wird wo die Wut eigentlich hin gehört und diese Wut auf eine konstruktive Art transformiert werden kann.
Muster nachhaltig transformieren
Um Muster wirklich nachhaltig zu transformieren kann eine professionelle Begleitung notwendig sein. Einerseits weil man selber z. T. nur schwer an diese Themen heran kommt oder gar nicht recht weiss, wie man damit umgehen soll. Andererseits weil ein begleiteter Prozess oft schneller geht.
Denn das Erkennen eines Musters alleine reicht meist nicht, um es zu transformieren. Viele Menschen nehmen zwar wahr was sie tun und empfinden («ich bin häufig gereizt und dann bin ich aggressiv zu meinen Kindern»), aber es gelingt ihnen nur schwer es zu verändern. Das ist meist der Fall, wenn man nicht an die Wurzeln des Problems gelangt und keine Werkzeuge hat, um mit starken Emotionen konstruktiver umzugehen.
Was kannst du tun?
Was kannst du als Betroffene/r für dich tun?
Ehrlichkeit und Klarheit mit dir selbst
Der wichtigste Schritt ist dir einzugestehen, dass du womöglich in einer toxischen Beziehung bist, die dir nicht gut tut. Erst dann sind weitere Schritte möglich. Versuche dabei wohlwollend mit dir selbst umzugehen und dich nicht zu verurteilen.
Werde dir klar wo du stehst
- Brauchst du zuerst jemanden, mit dem du das Ganze einfach mal besprechen kannst?
- Willst du herausfinden, ob deine Beziehung noch eine Chance hat und was es dafür braucht?
- Bist du an dem Punkt, wo du eine Trennung in Betracht ziehst und die Kraft finden willst es auch zu tun?
- Welche Ressourcen stehen dir zur Verfügung?
Hole dir die nötige Unterstützung
- Bei Menschen denen du vertrauen kannst und welche diejenigen Eigenschaften mitbringen, die dich wirklich unterstützen.
- Professionelle Unterstützung, welche dir durch die vorhandene Erfahrung und Kompetenz ermöglicht, möglichst gut durch solch einen Prozess zu gehen.
Gemeinsam oder alleine?
Spür gut rein ob du den Prozess für dich alleine oder gemeinsam mit dem Partner machen willst. Sei möglichst realistisch. In gewissen Situationen (z. B. wenn Gewalt im Spiel ist) ist eine gewisse Vorsicht unabdingbar.
Positive Ausrichtung
Sei dir bewusst: Sich mit einer toxischen Beziehung auseinander zu setzen birgt auf jeden Fall grosse Lernchancen in sich. Du hast die Möglichkeit schon lange wirkende selbst-destruktive Muster zu erkennen und zu transformieren. Wenn du diese Chance nutzt, wirst du dich besser kennen lernen, spüren was dir wirklich gut tut und was du besser sein lassen solltest. Und du wirst es nicht nur spüren, sondern es auch umsetzen.
Handle!
Das ist der wichtigste Schritt, denn sonst wird sich nicht viel ändern.
Alles was du dafür brauchst:
Fälle die Entscheidung für dich einzustehen und pack es jetzt an!
Veränderung beginnt mit dem ersten Schritt, egal wie klein er ist.
Es werden möglicherweise in dir unzählige Gründe auftauchen warum du gerade jetzt nichts tun kannst. Nimm sie wahr, lass sie einen Moment wirken und beurteile, ob du wirklich weiterhin so mit dir umgehen willst wie bisher.
Ja, du hast richtig gelesen: DU mit DIR … und nicht er/sie mit dir!
Was kannst du als Aussenstehende/r tun?
Sei dir bewusst, dass es Einfühlungsvermögen braucht wenn du das Thema besprechen willst.
Folgendes könnte dabei hilfreich sein:
- Stelle eher Fragen, die dein Gegenüber zum Nachdenken anregen, als mit fertigen Analysen oder gar Verurteilungen unterwegs zu sein.
- Dränge nicht zu einer Trennung, denn dann wird sich dein Gegenüber eher abschotten.
- Versuche eher neutral und wertfrei unterwegs zu sein. Es hat einen Grund weshalb die beiden in einer Beziehung sind und es gibt daraus etwas zu lernen.
- Nimm Urteile über den Partner deines Gegenübers entgegen, aber halte dich zurück ihn/sie zu verurteilen. Du kannst z. B. sagen: «Das muss wirklich schwierig sein für dich.» Aber nicht: «Das ist doch ein mieser Typ!»
Wenn du letzteres machst, kann es passieren, dass dein Gegenüber sich später auf die Seite des Partners stellt und du als «Bösewicht» da stehst. - Wenn sich im Gespräch heraus stellt, dass dein Gegenüber unglücklich und in Schwierigkeiten ist, rege eine professionelle Unterstützung an ohne Druck aufzusetzen.
Ich freue mich wenn dir der Artikel etwas gebracht hat. Wenn ja, dann wäre es schön wenn du ihn mit anderen Menschen teilst.
Ich wünsche dir alles erdenkliche Gute auf deinem Lebensweg.
Nicole
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