Schmerzen beim Sex: Kennst du das?
Hast du ab und zu, öfters oder vielleicht sogar jedes Mal Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie)?
Fühlt sich eine Penetration eher unangenehm an? Oder ist sie gar nicht oder nur unter grossen Schmerzen möglich (Vaginismus)?
Spürst du Lust, aber es ist auch Schmerz dabei?
Viele Frauen haben die Fähigkeit, einiges an Schmerz oder Unangenehmem einfach auszuhalten. Trotzdem sollte man Schmerzen beim Sex nicht einfach so hinnehmen. Warum? Weil es längerfristig deine Lust, Sexualität zu leben, beeinträchtigen kann und du ein Signal deines Körpers übergehst, der dir möglicherweise etwas mitteilen will.
Du möchtest mehr darüber erfahren, welche Ursachen deine Schmerzen haben könnten?
Du willst Strategien für eine Verbesserung deiner Situation, so dass du deine Sexualität geniessen kannst, anstatt sie auszuhalten oder zu vermeiden?
Die Ursachen für Schmerzen beim Sex können vielfältig sein und alle in einem Artikel zu erläutern, würde den Rahmen sprengen. Deshalb beschränke ich mich dieses Mal auf folgende Ursachen:
- zu hohe Spannung in den Muskelgruppen des Beckens
- Ängste und Befürchtungen
- Dyspareunie und Vaginismus
Zu hohe Spannung im Beckenbereich
Verspannte Beckenbodenmuskeln sind unflexibel und können deshalb einer der Gründe sein für Schmerzen bei einer Penetration.
Ich möchte hier zwei Formen von Spannungen erläutern:
- die Grundspannung, die jeder von uns im Beckenboden hat
- Spannung, welche durch die Art und Weise entsteht, wie man persönlich sexuelle Erregung erzeugt (Anspannung des Beckenbodens, des Gesässes, der Beine, etc.)
Bei beiden Formen kann es sein, dass man die Anspannung nicht bewusst wahrnimmt. Deshalb ist der erste Schritt für Veränderung das Wahrnehmen der Spannung. Erst wenn ich weiss, wo ich verspannt bin, kann ich versuchen, Entspannung rein zu bringen.
Erhöhte Grundspannung
Ist die Grundspannung im Beckenboden erhöht, kann dies mit verschiedenen Faktoren zusammen hängen:
Einerseits können einzelne Sportarten, welche den Beckenboden stark beanspruchen, zu einer hohen Grundspannung und einer Verkürzung der Muskulatur beitragen. Vor allem dann, wenn dieser Bereich nicht oder ungenügend gedehnt wird.
Ein hoher Stresspegel kann aber auch der «Übeltäter» sein. Sei es, dass durch erlebte Traumata der Körper allgemein eine hohe Spannung aufweist oder in speziellen Situationen, in denen uns das Leben herausfordert, verspannter ist. Wir «halten» solche Situationen häufig aus, indem wir eben mit unseren Muskeln halten.
Zuweilen kann es ein Weilchen gehen bis Muskeln, die schon lange in einer Verspannung sind, wieder in die Entspannung gebracht werden können. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, dies in Angriff zu nehmen.
Das Becken geschmeidiger machen
Es geht also darum, mehr Entspannung ins Becken zu bringen und es mehr zu bewegen. Dazu sind alle Übungen gut, welche einerseits die Wahrnehmung für die verspannten Muskelgruppen schärfen und andererseits diese mit der Zeit beweglicher, geschmeidiger und kräftiger werden lassen.
Weiterhin unterstützt dich die bessere Wahrnehmung zu merken, wenn Muskeln sich wieder verspannen wollen und so kannst du etwas dagegen unternehmen.
Auch eine Kombination mit Atemtechniken zum Entspannen sind in der Regel sehr hilfreich, weil diese den Stresspegel des Körpers, und somit auch die Muskelspannung, innerhalb weniger Minuten deutlich senken können.
Spannung durch Erregung
Die meisten von uns haben Strategien, wie wir Erregung herstellen. Je nachdem kann dies mit hoher Muskelspannung im Bauch, Becken, in den Beinen oder auch noch anderen Körperstellen verbunden sein.
Wenn es eine sehr hohe Spannung braucht, um zum Orgasmus zu kommen, kann es passieren, dass schon während des Aktes oder aber anschliessend Schmerzen auftreten. Dies geschieht weil die Muskeln so stark anspannen und zuweilen gar nicht mehr los lassen können. So kann es z. B. zu äusserst schmerzhaften Muskelkrämpfen kommen.
Will ich das vermeiden, indem ich mich mehr entspanne, gerate ich zwangsläufig in ein Dilemma: Orgasmus ODER Entspannung.
Die mögliche Lösung: Orgasmus UND Entspannung
Falls du in der Sexualität mit hoher Spannung unterwegs bist, magst du dich gerade fragen: «Wie soll das bloss gehen?».
Es bedeutet, dich zwischendurch davon zu lösen, unbedingt einen Orgasmus haben zu müssen und dich stattdessen auf eine lustvolle Expedition in unbekanntes Territorium mit deinem eigenen Körper zu begeben.
Dein Körper braucht Zeit, um dir zeigen zu können, dass er Erregung auch mit einer niedrigeren Spannung erzeugen und damit sogar bis zum Orgasmus kommen kann.
Was kannst du mit deinem Körper erleben, wenn es nicht um Orgasmus, sondern einfach ums Geniessen geht? Welche Körper-Areale könntest du erotisch erkunden oder gar neu erwecken? An welchen Körperstellen lassen verschiedene Berührungen sexuelle Energie in deinem Becken entstehen? Gibt es andere Möglichkeiten, die du vielleicht noch nicht kennst, um Erregung zu erleben?
In der Sexualtherapie wirst du Tipps und Techniken mit auf den Weg erhalten, welche dich dabei unterstützen, deinem Körper etwas Neues beizubringen.
Ängste und Befürchtungen
Die Reaktion eines Körpers auf Angst, Befürchtungen oder negative Erfahrungen aus der Vergangenheit erfolgt automatisch, weil er sich zu schützen versucht. Er tut dies häufig mit Anspannung der Muskulatur, was manchmal recht schmerzhaft sein kann.
Gerade bei negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit, an die wir uns vielleicht nicht einmal mehr erinnern, zeigt sich oft, dass der Körper sein eigenes Gedächtnis hat. Er reagiert, ob uns das nun passt oder nicht. Es ist also durchaus möglich, dass man sich als Frau eine Penetration sehnlichst wünscht, der Körper aber nicht mitmacht und blockiert. Das kann sehr verwirrend und irritierend sein und lässt einem zuweilen ziemlich ratlos zurück.
Auch wenn wir vielleicht nicht wissen, weshalb der Körper sich sperrt, gilt es seine Signale ernst zu nehmen, denn es hat einen Grund, weshalb er das tut.
Es kann z. B. durchaus sein, dass der Zeitpunkt einer sexuellen Begegnung oder die Art der Begegnung mit einem anderen Menschen nicht stimmig sind. In solch einer Situation gilt es seine eigenen Grenzen zu wahren und den Mut zu finden, dies auch mitzuteilen (was, je nachdem wie man «gestrickt» ist, nicht immer ganz so einfach ist, aber trainiert werden kann).
Oder es kann sein, dass ich Befürchtungen habe, die entweder berechtigt sind oder deren Richtigkeit überprüft werden sollte (z. B. die Überzeugung, dass eine Penetration an sich immer schmerzhaft ist).
Eine andere Möglichkeit ist aber auch, dass alte Körpererinnerungen die Realität überschatten und der Körper so reagiert, wie er früher einmal reagieren musste: nämlich mit dem Reflex sich zu schützen und dafür die Muskulatur anzuspannen (Abwehrhaltung).
Wie umgehen mit Ängsten und Befürchtungen?
Diese Frage zu beantworten würde den Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen, aber trotzdem möchte ich dir ein paar Dinge mit auf den Weg geben:
Es kann äusserst hilfreich sein, in einem Gespräch zu erforschen, was deine Ängste, bzw. Befürchtungen sind, woher sie möglicherweise kommen könnten und einen Umgang mit ihnen zu finden, der dich letztendlich deine Sexualität lastlos und schmerzfrei geniessen lässt. Was es dazu braucht, hängt von der Art deiner Ängste ab und ist sehr individuell.
Es kann z. B. darum gehen, dich darin zu unterstützen, deinem eigenen körperlichen Wohlbefinden absolute Priorität zu geben und dir die Fähigkeit anzueignen, deine eigenen Grenzen besser zu spüren und zu wahren.
Zuweilen kann es auch darum gehen, mit achtsam angeleiteter Körpertherapie Belastendes aus den Körperzellen zu lösen. Auf diese Weise wird der Körper frei, um neue positive Erfahrungen zu machen, welche die alten ersetzen. Wichtig dabei ist: Dazu muss nicht alles Vergangene wieder herauf geholt werden. Dein Körper hat seine eigene Art und Weise, wie er sich selber heilen kann.
Etwas vom Wichtigsten bei all dem ist ein Tempo, das dem Körper gerecht wird und ihn nicht überfordert. Denn wird der Körper überfordert, wird er sich in der Regel schützen wollen und sich wieder verschliessen.
Dyspareunie / Vaginismus
Dyspareunie
Eine Dyspareunie liegt dann vor, wenn wiederkehrende genitale Schmerzen bei oder nach einer Penetration auftreten.
Vaginismus
Eine unwillkürliche Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur, welche das Einführen eines Gliedes, Fingers oder eines anderen Objektes sehr schmerzhaft macht oder verunmöglicht. Dies kann situativ auftreten oder die ganze Zeit. Ein anderer Begriff, der zuweilen dafür benutzt wird ist Scheidenkrampf.
Was kannst du als Betroffene tun?
Da Schmerzen auch konkrete physische Ursachen haben können (z. B. Narbengewebe oder anderes), ist es sinnvoll, eine gynäkologische Abklärung machen zu lassen. Wenn dir das zu viel Angst einjagt, kann dich eine sexualtherapeutische Begleitung darauf vorbereiten.
Grundsätzlich kann dich eine Sexualtherapie dabei unterstützen, wesentliche Schritte zu tun, um deine Situation zu verbessern, denn sie deckt denjenigen Bereich ab, der in der Regel nicht durch die Gynäkologie/Urologie erfasst wird.
Was auch immer dein Weg ist: Du solltest ihn in deinem eigenen Tempo gehen können und mit Sorgfalt und Behutsamkeit unterstützt werden. Es geht darum, einen Weg zu gehen, bei dem du dich als Frau abgeholt und sicher fühlen kannst.
Ein paar Gedanken zum Schluss
Schmerzen beim Sex sind recht verbreitet und nach wie vor ein ziemlich grosses Tabu. Wenn man seinem Partner immer wieder mitteilen muss, dass man Schmerzen hat bei der Penetration, kann das eine ganze Palette von Emotionen auslösen: Gefühle der Unzulänglichkeit, des Versagens, der Abwertung, Frustration, Ohnmacht, Traurigkeit, Angst den Partner möglicherweise sogar deswegen zu verlieren, Wut, bis hin zur Verweigerung jeglicher Nähe zum Partner. Es können sogar Gedanken auftauchen wie der, dass man möglicherweise keine „richtige“ Frau ist.
Da betroffene Frauen häufig Scham und auch Angst empfinden, wird zuweilen viel zu lange damit gewartet, aktiv etwas für eine Verbesserung zu unternehmen. Das ist mehr als nur bedauerlich, denn es gibt Möglichkeiten, etwas daran zu ändern, wenn man die Bereitschaft aufbringt, sich auf den Weg zu machen und sich die entsprechende Unterstützung holt.
Lass mich dir sagen: Deine Schwierigkeiten haben mit allergrösster Wahrscheinlichkeit einen Grund und das gilt es ernst zu nehmen und zu würdigen. Es geht hier nicht darum, dass du versagst oder unzulänglich bist, sondern darum, einen Weg für dich zu finden, der dir neue Türen öffnet. Zugegeben: Das geschieht meist nicht über Nacht, aber wenn der erste Schritt getan ist, bist du auf dem Weg, dir etwas ganz Neues erschliessen zu können.
Alles Gute auf deinem Weg zu mehr Freude an deinem Körper und der Lust, die er dir schenken kann!
Nicole
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Urheber und Quelle Fotos:
Bild nachdenkliche junge Frau: ©Kasia Bialasiewicz 108482324 / bigstockphoto.com